Stellungnahme des VPU e.V. zum Positionspapier der Bundesärztekammer zu einer Neuausrichtung der Ärztlichen Assistenz (Physician Assistance (PA))

- Stellungnahme
Das Positionspapier der Bundesärztekammer zu Physician Assistance betont die Einbindung in ärztliche Aufgaben ohne eigenständige Verantwortung. Der Verband der Pflegedirektor:innen fordert klare Rollen, stärkere akademische Pflege und eine interprofessionelle Ausrichtung, um eine patientenzentrierte Versorgung zu sichern und Pflegefachpersonen zu stärken.

Mit dem Positionspapier „Physician Assistance – ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen“ formuliert die Bundesärztekammer im April 2025 auf gut 20 Seiten ihren Standpunkt zur Weiterentwicklung der noch jungen Qualifikation Physician Assistance. Gleichzeitig wiederholt die Bundesärztekammer damit auch ihren Standpunkt, wie vor dem Hintergrund des zunehmenden Versorgungsdrucks im Gesundheitssystem Aufgabenfelder und Zuständigkeitsbereiche zwischen den Gesundheitswesen zukünftig geordnet werden sollen, um eine hochwertige und für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbare Versorgung sicherzustellen.

Bereits vor fast 20 Jahren schlug der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVT 2007) zur Lösung der Problematik eine Neuaufteilung der Tätigkeitsfelder zwischen den Gesundheitsberufen und damit die Implementierung neuer Kooperationsformen und mit ihnen einhergehender Verantwortlichkeiten vor. Diese Vorschläge gingen bereits weit über die Delegation ärztlicher Tätigkeiten hinaus.

Die Bundesärztekammer setzt sich jedoch für eine Verankerung von PA im ärztlichen Aufgabenfeld ein, wobei ausschließlich eine Übernahme ärztlich delegierbarer Tätigkeiten ohne eigene Endverantwortung erfolgt (Herrmann, 2022). Damit wird der Beruf außerhalb der Heilberufe ohne eigenständigen Zuständigkeitsbereich konstituiert. Der Beruf bleibt in seiner Ausübung damit vollständig abhängig von den Ärztinnen und Ärzten.

Diese Konstruktion wirft nicht nur grundlegende Sachfragen zur Entwicklung des Berufsgefüges im Gesundheitswesen auf. Es stellt sich die Frage, ob die Position nicht doch eher als berufs- und machtpolitisches Sicherungsinstrument verstanden werden muss, dass eine Neuaufteilung der Tätigkeitsfelder zwischen den Gesundheitsberufen verhindern soll und zur Absicherung finanzieller Ressourcen dient. Aus diesem Grund sind von dieser Positionierung der Bundesärztekammer auch alle weiteren Gesundheitsberufe, und insbesondere die Profession Pflege tangiert. Der Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt spricht sich im Kontext des Positionspapiers für eine konstruktive Debatte über Definition und Rolle der PA im Austausch aller Beteiligten aus.

Genau in diesem Sinne nimmt der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken Deutschlands (VPU) im folgenden Stellung zum Positionspapier der Bundesärztekammer. Die an den Anfang gestellten Forderungen des VPU werden im Folgenden ausgeführt und begründet.

Forderung des VPU

Aus Sicht des VPU e.V. ist die Einführung und Weiterentwicklung der Qualifikation PA eine bedenkenswerte, aber in ihrer Wirkung auf die Versorgung der Bevölkerung nur begrenzt wirksame Maßnahme. In jedem Fall muss das Berufsbild gesetzlich geregelt, strukturell eingeordnet und interprofessionell abgestimmt werden. Eine Stärkung dieses Berufsfeldes darf jedoch nicht zu Lasten der pflegerischen und therapeutischen Gesundheitsberufe gehen. Die Wirksamkeit des Berufsbilds muss an der Spezifik ihres Beitrags zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung bemessen werden. Deshalb fordern wir:

  • Vorrangige Förderung der akademisierten Pflege und gesetzliche Verankerung von Advanced Practice Nursing
  • Klare Rollendefinition und gesetzliche Rahmung der Tätigkeiten der Physician Assistance mit eindeutiger Abgrenzung zur Profession Pflege
  • Aufwertung und Sichtbarkeit der pflegerischen und therapeutischen Gesundheitsberufe und Hebammen in der Versorgungsplanung, Forschung und Politik
  • Gleichwertige Entwicklungschancen für alle Gesundheitsberufe – nicht als Assistenz, sondern als Professionen mit eigenständigen Aufgabenfeldern und Zuständigkeitsbereichen

Nur wenn die Weiterentwicklung im Gesundheitssystem nicht entlang berufsständischer Machtstrukturen, sondern orientiert an Bedarfen, Kompetenzen und interprofessioneller Kooperation erfolgt, kann eine zukunftsfähige, ganzheitliche und patientenzentrierte Versorgung in Deutschland gelingen. Gerade Prävention und Prähabilitation wären wichtige Domänen in der Gesundheitsökonomischen Betrachtung – beides Komplexe, die eine Kernkompetenz der Pflege darstellen. Die möglichen Antworten auf die Entwicklungen im Gesundheitswesen müssen interprofessionell ausgerichtet sein. Aus Sicht der Profession Pflege ist es lange überfällig, dass Verantwortung und Ausführungskompetenz neu aufgeteilt werden und dabei die etablierten Berufsgruppen gestärkt werden.

Hintergrund: Engpässe und Strukturdebatten

Das Berufsbild der PAs entstand in den USA der 1960er Jahre als Antwort auf die Notwendigkeit, Ärzt*innen durch hochschulisch qualifizierte Assistenzkräfte zu entlasten. Seit 2005 ist das Studium in Deutschland etabliert und wurde zuletzt in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer überarbeitet. Die aktuelle Position knüpft an das Konzeptpapier von 2017 an und betont die Notwendigkeit, PAs dauerhaft in die medizinische Versorgung zu integrieren.

Ein zentraler Treiber ist der demografische Wandel: Der Anteil älterer Ärzt:innen nimmt zu – 2023 waren 31 % der Ärzt:innen mindestens 55 Jahre alt (Destatis, 2024) – während gleichzeitig der Versorgungsbedarf, besonders aufgrund chronischer Erkrankungen und einer alternden Bevölkerung, weiter steigt. Veränderungen wie Technologisierung, neue Arbeitszeitregelungen und ein Wandel im Berufsverständnis führen dazu, dass die bestehenden Kapazitäten nicht mehr ausreichen. Trotz eines Wachstums der Ärzt:innenzahl (z. B. +2,1 % zwischen 2019 und 2020) kann der Bedarf – insbesondere in ländlichen Regionen – nicht gedeckt werden (Herrmann, 2022).

Der Beitrag des PA-Berufs zur Abfederung von Versorgungsengpässen wird voraussichtlich punktuell bleiben und vor allem auf strukturschwache Regionen begrenzt sein. Gleichzeitig verschärft sich eine zentrale Schieflage: Während der PA-Beruf gezielt durch Lobbyarbeit der Ärzteschaft und durch politische Unterstützung gefördert wird, bleibt die Professionalisierung der Therapie- und Pflegeberufe hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Aufgabenbereiche der Pflege werden restriktiv gehalten, und Entwicklungsmöglichkeiten wie etwa im Rahmen von Advanced Practice Nurses (APN) sind gesetzlich kaum verankert.

Obwohl die Bundesärztekammer Masterstudiengänge für PAs propagiert und damit akademische Standards etablieren möchte, bleiben Zielsetzungen, Rollenprofile und Verantwortungsbereiche weiterhin unscharf. Es muss an dieser Stelle auch gefragt werden, warum die Bundesärztekammer bei der Verortung der Studiengänge PA nicht ausdrücklich auf die Medizinischen Fakultäten der deutschen Universitäten setzt. Es scheint in sachlicher, qualifikatorischer und ökonomischer Hinsicht zwingend geboten, die Studiengänge genau an diesen Orten zu verankern, die hohe Standards in der Ausbildung in der Versorgung und Patientensicherheit garantieren.

Es bleibt festzuhalten, dass der Aufbau zusätzlicher Strukturen im Gesundheitswesen durch den PA-Beruf keinesfalls kurzfristig realisiert werden kann. Im Gegensatz dazu wären bei Hebammen, therapeutischen Gesundheitsberufen und in der Pflege bereits vorhandene Strukturen vorhanden, die lediglich weiterentwickelt und gesetzlich neu verankert werden müssten.

Die Kehrseite: Auswirkungen auf die Pflegeprofession

Die wachsende Bedeutung des PA-Berufs bringt strukturelle Risiken mit sich. So stammen aktuell fast die Hälfte der PA-Studierenden aus der Pflege – ein Trend, der mittelfristig zu einem Kompetenzabfluss aus der Pflege führen wird. Laut einer bundesweiten Querschnittstudie (DHPA, 2020) waren 47,5 % der PA-Absolvent:innen zuvor Pflegefachpersonen. Diese Abwanderung entzieht der Pflege dringend benötigtes Fachpersonal – ein Umstand, der angesichts des bestehenden Pflegekräftemangels als alarmierend einzustufen ist.

Darüber hinaus bestehen Rollenkonflikte und Unklarheiten in der Abgrenzung der Tätigkeiten. Während PAs in ihrer Rolle als ärztliche Hilfskräfte einzustufen sind, übernimmt die akademisierte Pflege z.B. im APN-Konzept Aufgaben mit deutlich höherem Maß an Eigenverantwortung – etwa im Bereich der Beratung, Entscheidungsfindung und interprofessionellen Versorgung (Delamaire & Lafortune, 2010). Statt echter Zusammenarbeit droht eine Substitution pflegerischer Kompetenz durch medizinisch delegierte Assistenz, die die Emanzipation der Pflegeprofession behindert. Eine Gewährleistung, dass PAs nicht in die pflegerischen und therapeutischen Kompetenzbereiche eingreifen, liegt dabei in keiner Weise vor.

https://doi.org/10.32745/9783954669783-1 [Bialojan, M., Fleischmann, T., Herrmann, H., & Hunfeld, D. (Eds.). (2025). Physician Assistants in Deutschland: Rahmenbedingungen, Studium, Implementierung. MWV.]

Herrmann H (2022) Vom Personalmangel zu neuer Aufgabenverteilung. Die Rolle des Physician Assistant im deutschen Gesundheitswesen. In: Krauss S, Plugmann P (Hrsg.) Innovationen in der Wirtschaft. 269–280. Springer Gabler Wiesbaden

Hix LR u. Fernandes SM (2020) An initial Exploration of the Physician Assistant Role in Germany. Journal of Physician Assistant Education 31, 42–47

Lau T, Osterloh F (2022) Ärztemangel. Schlechte Aussichten. Deutsches Ärzteblatt 119, 1008–1010

Taheri P, Wenzel L u. Möller J (2017) Arztassistent und Assistenzarzt – Personaloptimierung in der Klinik. Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie 155(5), 519–520

(Delamaire , M. and G. Lafortune (2010), “Nurses in Advanced Roles: A Description and Evaluation of Experiences in 12 Developed Countries”, OECD Health Working Papers, No. 54, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5kmbrcfms5g7-en).

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2007) Kooperation und Verantwortung – Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung. https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2007/Kurzfassung